Wenn man nun an den Ausbau der erneuerbaren Energien denkt, insbesondere, wenn man sich eine Versechsfachung der Anzahl der Anlagen vorstellt, wird das nur allein mit einem Zubau der Windkraft nicht gelingen. Der gesellschaftliche Rückhalt für die Windenergie und die dazugehörigen Windräder ist zwar im Großen und Ganzen vorhanden, aber bei einer Versechsfachung der Anzahl an Windrädern würde die Akzeptanz stark leiden oder gar schwinden. Die Photovoltaik stellt im aktuellen Strom-Mix in Deutschland nur gut 7% der Energie bereit[1]. Diese Form der Energiegewinnung genießt eine große Akzeptanz in der Bevölkerung, allerdings hat diese Technologie noch immer mit vielen Vorurteilen zu kämpfen:
Das häufigste Vorurteil ist: Die Herstellung der Solarmodule würde mehr Energie verbrauchen als die Module während ihrer gesamten Lebensdauer wieder einspielen. Das hat in den 60er Jahren sogar gestimmt, da für die Herstellung der ersten Solarzellen auf Verfahren und Materialien aus der damals noch sehr teuren Mikroelektronik zurückgegriffen wurde und die Photovoltaik als eigenständiger Industriezweig sich erst in den darauffolgenden vier Jahrzehnten entwickelt hat. Heute haben Solarmodule einen Wirkungsgrad von über 20% und spielen die Energie für deren Herstellung, aufgestellt an einem durchschnittlichen Standort in Deutschland, in ca. 2,5 Jahren wieder ein[2]. Die meisten Hersteller geben heute eine Modul-Garantie von 20-25 Jahren. Wenn man diesen Zeitraum annimmt, spielt also ein Solarmodul ca. 10mal so viel Energie wieder ein, wie es für dessen Herstellung benötigte!
Ein weiteres Vorurteil sind die scheinbar hohen Kosten der Photovoltaik. Auch das stimmte tatsächlich bis vor kurzem! Die Kosten für PV Module[3] sind seit 1990 um ca. 97%, also auf ca. 3% gesunken[4]. So kostet heute (2019) jedes Watt an Leistung eines PV-Moduls (Watt-peak oder WP) noch ca. 30 Cent, 1990 waren es noch ca. 10 Euro. Es gibt kaum einen anderen Industriezweig, der durch Massenproduktion und Innovation solch eine Preisreduktion in einem Zeitraum von knapp 30 Jahren erreicht hat. Die Bedeutung eines WP-Preises von 30 Cent wird erst klar, wenn man das umrechnet in einen Preis je kWh erzeugten Stroms. Eine Großanlage mit einer PV-Leistung von 500 Megawattp erzeugt in Deutschland im Jahr ca. 500 Mio. kWh. Die Module dazu kosten 30 Cent je WP, also 150 Mio. Euro. Die Wechselrichter, die den erzeugten Strom in das Netz einspeisen, kosten für eine solche Anlage nochmals ca. 50 Mio. Euro. Für die Aufstellung und Montage kann man nochmals je nach örtlicher Gegebenheit ca. 100 Mio. Euro annehmen. Diese Anlage wird über 20 Jahre lang jährlich 500 Mio. kWh, also 10 Mrd. kWh einspielen. Wenn man nun die Kosten von 300 Mio. durch die 10 Mrd. kWh teilt, kommen Kosten je kWh von ca. 3 Cent heraus. Es überrascht also nicht, dass schon heute in Deutschland große Solaranlagen gebaut werden und ihren Strom ohne jegliche Subventionen am Markt erfolgreich verkaufen können[5]. So wurde z.B. ein Zuschlag für ausgeschriebenen Strom im März 2019 für eine PV Anlage erteilt, die den Strom dem Netz für 3,9 Cent je kWh andient[5]. Keine andere skalierbare Stromerzeugungstechnik kann zu diesem Preis Strom erzeugen, weder die Windkraft, noch Kohle oder Kernkraft. Neben den niedrigsten Energiepreisen der PV im Vergleich mit allen anderen Techniken kommt als weiterer Vorteil hinzu, dass dieser Strom in der Regel nicht über weite Strecken transportiert werden muss, sondern regional im Wesentlichen überall dort erzeugt werden kann, wo er verbraucht wird oder in Autos geladen werden kann.
In Deutschland wurden 2018 gut 500 Terrawattstunden (eine Terrawattstunde sind eine Milliarde Kilowattstunden) an Strom verbraucht[6]. Die Hälfte davon, also 250 TWh, werden in etwa 2019 mit erneuerbaren Energien erzeugt werden. Damit man eine Vorstellung von der Fläche bekommt, die notwendig wäre, um in Deutschland nicht nur doppelt so viel Ökostrom zu erzeugen wie bisher, sondern 6 mal so viel (also 1.500 TWh), um auch die anderen Sektoren wie Industrie und Verkehr mit der notwendigen Energie zu versorgen, käme folgende Rechnung zustande:
Ein modernes Solarpanel hat einen Wirkungsgrad von ca. 20% und erzeugt bei voller Sonneneinstrahlung ca. 200 Watt je Quadratmeter. Mit der durchschnittlichen Strahlungsleistung im Bundesgebiet ergibt sich so eine Jahreserzeugung von 200 Kilowattstunden je Quadratmeter. Für die 1.500 Terrawattstunden benötigte man demnach 7,5 Milliarden Quadratmeter an Fläche. Deutschland hat ca. 360 Mrd. m2 Fläche[7], davon entfallen ca. 50%, (also ca. 180 Mrd. m2 ) auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Deshalb würden uns rein rechnerisch 4% der heute landwirtschaftlich genutzten Flächen genügen, um die dreifache Menge des heute in Deutschland verbrauchten Stroms erzeugen zu können, bzw. in etwa die sechsfache Menge des heute in Deutschland erzeugten Ökostroms.
Abbildung 1: Auf einer Fläche von nur 2% des Bundesgebietes, kann die gesamte in Deutschland verbrauchte Energie-Jahresmenge mit der Photovoltaik erzeugt werden. |
Das bedeutet aber keineswegs, dass diese Flächen für die Landwirtschaft verloren gehen müssen. Es gibt heute schon einige Beispiele der so genannten „Agro-Photovoltaik[8]“, bei der oberhalb der landwirtschaftlichen Nutzflächen die Solarmodule angebracht sind und unterhalb, teilweise verschattet, Landwirtschaft betrieben wird. Dabei kann diese Art von Landwirtschaft mit weniger Wasser auskommen, weil unter der Verschattung weniger verdunstet. Dadurch kann es sogar bei einigen Pflanzenarten zu höheren Ernteerträgen kommen, als es ohne Agro-Photovoltaik der Fall wäre. Das Wichtigste daran aber ist, dass es mit dieser Strategie zu keinem Konflikt zwischen der Energieerzeugung und der Lebensmittelproduktion kommt.
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Selbst die Artenvielfalt würde einen positiven Impuls bekommen, da die nicht landwirtschaftlich nutzbare Fläche im Bereich der Fundamente und Stützen der Solarinstallationen, die mit den Traktoren umfahren werden müssen, Insekten und Vögeln zur Verfügung stünden.
Ein massiver Ausbau der Photovoltaik als eine der Hauptstützen unserer Energieversorgung bringt die Problematik mit sich, dass Solarpanele im Sommer deutlich mehr Strom erzeugen als an kurzen Wintertagen. Nun ist es so, dass in Deutschland durch die Beheizung der Gebäude im Winter relativ viel Energie verbraucht wird, während der Verbrauch durch Klimaanlagen im Sommer im Vergleich zu den südlichen Ländern relativ gering ist. In Spanien und Südfrankreich ist es genau anders herum. Hier benötigt man in Sommer sehr große Mengen an Energie zur Klimatisierung, im Winter hingegen wenig für die Beheizung. Ein Stromhandel mit den südlichen Ländern Europas mit den jeweiligen jahreszeitlichen Überschüssen wäre daher eine sehr effiziente und hilfreiche Variante, mit den Energieüberschüssen und -defiziten umzugehen. Auch ist es denkbar, den sommerlichen Stromüberschuss in Wasserstoff oder e-Gas[10] zu verwandeln, um ihn in stationären Brennstoffzellen oder Gaskraftwerken im Winter zur Stromerzeugung nutzen zu können.
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[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/250915/umfrage/anteil-der-photovoltaik-an-der-stromerzeugung-in-deutschland/
[2] Seite 39 https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf
[3] Gemeint sind hier die normierten Preise je Watt Modulleistung (Euro je Watt-Peak)
[4] Seite 9 https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf
[5] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Ausschreibungen/Solaranlagen/BeendeteAusschreibungen/BeendeteAusschreibungen_node.html
[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164149/umfrage/netto-stromverbrauch-in-deutschland-seit-1999/
[7] https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/struktur-der-flaechennutzung#textpart-1
[8] http://www.agrophotovoltaik.de/
[9] https://hofgemeinschaft-heggelbach.de/energie
[10] https://www.audi-technology-portal.de/de/mobilitaet-der-zukunft/audi-future-lab-mobility/audi-future-energies/audi-e-gas