Mit neuer Strompreisstruktur in eine neue Energieära


Angesichts steigender Strompreise, die für viele Haushalte und Unternehmen eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, wird deutlich, dass nicht der Börsenstrompreis das Hauptproblem ist. Vielmehr sind es zusätzliche Abgaben wie Netzentgelte, Steuern und Umlagen, die den Strompreis in die Höhe treiben. Eine revolutionäre Neugestaltung der Strompreisstruktur könnte hier Abhilfe schaffen, die Energiekosten senken und gleichzeitig die Integration erneuerbarer Energien fördern.


a. Reform der Netzentgelte – Differenzierte Pauschalierung für nachhaltige Investitionen
Der zentrale Vorschlag besteht darin, eine optionale pauschale Abrechnung der Netzentgelte einzuführen, die speziell für Haushalte gilt, die in netzdienliche Technologien wie Elektroautos, Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen mit Speichern investieren. Diese Haushalte erhalten die Möglichkeit, ihren zusätzlichen Stromverbrauch, der durch die neuen Technologien entsteht, ohne zusätzliche Netzentgelte abzurechnen.

Beispiel: Ein Haushalt verbrauchte vor der Investition in nachhaltige Technologien 3500 kWh pro Jahr und zahlte dafür bei einem Netzentgelt von 16 Cent pro kWh insgesamt 560 Euro jährlich an Netzentgelten. Nach der Investition steigt der Stromverbrauch auf 10.000 kWh, aber der Haushalt zahlt weiterhin nur die 560 Euro für die ursprünglichen 3500 kWh. Der zusätzliche Verbrauch von 6500 kWh (durch das E-Auto, die Wärmepumpe oder den Speicher) ist von den Netzentgelten befreit, unter der Bedingung, dass der Strombezug in Zeiten erfolgt, in denen Strom und Netzkapazitäten ausreichend verfügbar sind. Das bedeutet, dass der Haushalt den zusätzlichen Stromverbrauch auf Zeitfenster verlagert, in denen genug Strom im Netz vorhanden ist (z. B. bei starkem Wind oder viel Sonnenschein). In Zeiten der Stromknappheit wird der Strombezug für die Wärmepumpe oder die Ladestation blockiert, um das Netz zu entlasten und Preisspitzen zu vermeiden. Auf diese Weise wird der zusätzliche Stromverbrauch netzdienlich und wirtschaftlich sinnvoll gestaltet.

Vorteile der differenzierten Pauschalierung:

- Keine zusätzlichen Netzentgelte: Die Verbraucher zahlen nur für ihren ursprünglichen Stromverbrauch Netzentgelte und können zusätzlichen Stromverbrauch ohne Netzentgelte nutzen, solange dieser netzdienlich erfolgt.


- Anreize für Investitionen: Diese Regelung macht die Investition in nachhaltige Technologien wie Elektroautos, Wärmepumpen und Speicher finanziell attraktiver.


- Netzdienliches Verhalten: Der Stromverbrauch wird in Zeiten verschoben, in denen das Netz nicht überlastet ist, was zur Stabilisierung des Stromnetzes beiträgt.


- Keine Nachteile für andere Verbraucher: Für Haushalte, die sich nicht beteiligen, bleibt alles wie
gewohnt. Sie zahlen weiterhin pro kWh Netzentgelte, ohne zusätzliche Belastungen.


b. Keine Anreize zur Netzstabilisierung im aktuellen Modell
Das derzeitige Preismodell schafft wenig Anreiz, günstigeren oder sogar kostenlosen Strom effizient zu nutzen. Es wäre beispielsweise wirtschaftlich unsinnig, ein Elektroauto tagsüber mit Strom für 18 Cent pro kWh zu laden, obwohl der Strom an der Börse gleichzeitig kostenlos verfügbar ist, nur um diesen Strom dann abends, wenn der Börsenpreis bei 10 Cent liegt, ins Netz zurückzuspeisen und damit zur Stabilisierung des Stromnetzes beizutragen. Niemand würde ein Minusgeschäft eingehen, bei dem der geladene Strom mehr kostet (18 Cent) als das, was man durch die Rückspeisung (10 Cent) verdienen könnte. Zwar könnten Netzdienste anders abgerechnet und Anreize geschaffen werden, das Netz stabil zu halten. Doch dies würde die Struktur komplizierter und bürokratischer machen und neue Geschäftsmodelle – wie die intelligente Einbindung von heimischen PV-Speichern – eher bremsen, anstatt sie zu fördern. Das aktuelle Modell entkoppelt den Verbraucher vom Marktgeschehen, was zu ineffizienter Nutzung und eingeschränktem Potenzial erneuerbarer Energien führt.

c. Smart Meter und flexible Nutzung von Stromüberschüssen
Mit der geplanten Einführung von Smart Metern wird ein dynamisches Strompreismodell möglich werden. Ohne die Pauschalierung der Netzentgelte jedoch werden diese flexiblen Stromtarife nicht ihre volle Wirkung und Wucht entfalten. Mit der optionalen differenzierten Pauschalierung würden Verbraucher, die in nachhaltige Technologien investiert haben und sich für die pauschale Abrechnung entschieden haben, zu Zeiten mit hohem Stromangebot (z. B. durch Solar- oder Windenergie) von sehr günstigen oder sogar negativen Strompreisen profitieren. Dies ermöglicht neue Geschäftsmodelle und fördert einen flexiblen Verbrauch, indem energieintensive Aufgaben in Zeiten niedriger Preise verlagert werden. Der großflächige Einsatz von Smart Metern ist jedoch zeitaufwändig – Zeit, die wir nicht haben. Eineschnelle Lösung bietet der Einsatz von kleinen, kostengünstigen Stromzählerzusatzgeräten, die einen gewöhnlichen Zweirichtungszähler im Handumdrehen zu einem vollwertigen Smart Meter aufwerten.

d. Entschärfung des Speicherproblems und Glättung von Strompreisspitzen

Die neue Preisstruktur würde helfen, das Speicherproblem zu entschärfen. Günstiger Strom in den Überschusszeiten könnte direkt für das Laden von Elektroautos oder die Versorgung von Wärmespeichern genutzt werden. Gleichzeitig würden die Strompreisspitzen zu den typischen Lastzeiten (morgens und abends) reduziert, da sich der Verbrauch besser über den Tag verteilt.


e. Bidirektionales Laden als potenzielle Einnahmequelle
Besonders interessant ist die Möglichkeit des bidirektionalen Ladens bei Elektrofahrzeugen für Teilnehmer
der pauschalen Netzentgelte. Diese könnten tagsüber mit nahezu kostenlosem Strom aufladen und in den
Abendstunden, wenn der Strompreis hoch ist, Energie zurück ins Netz einspeisen. Dies eröffnet den
Besitzern von Elektroautos eine zusätzliche Einnahmequelle und stabilisiert gleichzeitig das Netz. Neue,
kostspielige Speicher wären nicht nötig – vorhandene Ressourcen würden effizienter genutzt.

 

Beispiele und Szenarien zur Verdeutlichung des Prinzips


Beispiel Elektroautos:

Ein großes Elektroauto verfügt typischerweise über eine Batteriekapazität von 100 kWh, was eine Reichweite von etwa 500 km ermöglicht. Für den täglichen Bedarf benötigt der durchschnittliche Autofahrer maximal die Hälfte dieser Kapazität. Somit stehen mindestens 50 kWh pro Tag zur Verfügung, die für den Stromhandel genutzt werden können, ohne die Mobilität einzuschränken. Auf der Strombörse gibt es täglich starke Preisschwankungen. Die Preisdifferenz kann an einem Tag oft 14 Cent pro kWh oder mehr betragen. Am 30. März 2024 beispielsweise stieg der Börsenstrompreis in einer Stunde auf über 5 Euro pro kWh. Teilnehmer der pauschalen Netzentgelte könnten ihren Strom aus dem Fahrzeug an der Börse  verkaufen, was in Zeiten hoher Strompreise einen preisdämpfenden Effekt hätte und der Stromknappheit entgegenwirken würde. Bei täglicher Nutzung und einer Preisdifferenz von 14 Cent pro kWh könnten jährliche Erträge von etwa 2.500 Euro erzielt werden. Das Elektroauto würde so nicht nur kostengünstiger, sondern sogar zur Einnahmequelle. Gleichzeitig würden Stromüberschüsse gespeichert, da immer mehr Besitzer aus ökonomischen Gründen teilnehmen würden.

Beispiel Wärmepumpe:
In Häusern mit Wärmepumpenheizung kann der Betriebszeitpunkt der Wärmepumpe, insbesondere mit  großem Pufferspeicher, flexibel gestaltet werden. Teilnehmer der pauschalen Netzentgelte können ihre Wärmepumpe zu Zeiten mit Stromüberangebot betreiben und zahlen für den zusätzlichen Stromverbrauch keine Netzentgelte. Dadurch können sie ihr Gebäude nahezu kostenlos heizen. Die Wärmepumpe wird so zur günstigsten Heizart, netzdienlich und trägt zur Preisglättung bei – ohne zusätzlichen Netzausbau.
Beispiel Photovoltaikanlage Photovoltaikanlagen mit Speichern können durch die Pauschalierung netzdienlich eingesetzt werden. Besitzer können in den Morgenstunden Strom aus dem Speicher ins Netz speisen und ihn tagsüber wieder aufladen, um abends zu höheren Preisen zu verkaufen. Alternativ kann der Speicher in windigen Nächten mit günstigem Strom geladen und morgens zu höheren Preisen verkauft werden. So entlasten PV-Anlagen und Speicher das Netz, und die Besitzer können netzdienlich Geld verdienen.

Zusätzliche Aspekte
Reduzierter Förderbedarf für Wärmepumpen
Durch die niedrigeren Stromkosten für Teilnehmer der pauschalen Netzentgelte würden Wärmepumpen wirtschaftlicher, und der Förderbedarf würde sinken. Die höheren Investitionskosten amortisieren sich  schneller, was den Ausbau beschleunigt, ohne massive staatliche Förderung.

Kostenersparnis und Förderung von Elektroautos
Ähnlich profitieren Elektroautobesitzer von niedrigeren Stromkosten. Das Laden zu 2 Cent pro kWh oder kostenlos macht Elektroautos attraktiver, senkt die Betriebskosten und beschleunigt die Verbreitung ohne hohe Subventionen.

Maximierung der positiven Wirkung durch umfassende Beteiligung von Interessengruppen
Um die Reform erfolgreich und breit akzeptiert umzusetzen, ist es entscheidend, die Vorteile umfassend zu
kommunizieren und die Beteiligung der Bürger zu fördern.


- Sozialverträglichkeit und Gerechtigkeit: Die optionale Pauschalierung ermöglicht es jedem, sich nach eigenen Möglichkeiten und Interessen zu beteiligen, ohne andere zu benachteiligen.


- Wirtschaftliche Anreize und Jobwachstum: Niedrigere Stromkosten fördern Investitionen in grüne Technologien und schaffen Arbeitsplätze.

- Verbesserung der Energieunabhängigkeit und -sicherheit: Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien
reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.


- Positive Umweltauswirkungen: Die Reform unterstützt Klimaziele durch Reduzierung von CO₂-Emissionen.


- Förderung von Technologie und Innovation: Anreize für neue Energiespeicher und intelligente Netze
fördern Innovation.


- Transparenz und Bürgerbeteiligung: Ein offener Dialog und die Einbindung der Bürger schaffen Vertrauen
und Akzeptanz.


- Kooperation mit der Wirtschaft: Unternehmen profitieren aktiv und tragen zur Umsetzung bei.

Durch diese Anpassungen wird die Reform der Strompreisstruktur zu einer win-win-Situation für alle  Beteiligten: Verbraucher können aktiv zum Stromverdiener werden, das Netz wird stabilisiert, die Umwelt profitiert, und die Wirtschaft wird gestärkt.

 

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FAQs

FAQ 1: Wer bezahlt die Netzentgelte des verbrauchten Stroms, wenn ein Teil der Bevölkerung diese pauschal abrechnen kann?
Netzentgelte werden für die Regelung und Verteilung des erzeugten Stroms erhoben. Sie decken Kosten wie die Instandhaltung des Netzes, den Bau von neuen Umspannwerken, die Verstärkung von Leitungen sowie die Bereitstellung von Backup-Kraftwerken, die in Zeiten von Stromknappheit einspringen müssen. Ebenso beeinflusst der Bau zusätzlicher Stromspeicher die Netzentgelte. Weitere erhebliche Kosten für die Gemeinschaft kommen aus dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz): Wenn der Betreiber einer Windkraft- oder PV-Anlage für den erzeugten Strom eine Einspeisevergütung (z. B. 7 Cent pro kWh) erhält, obwohl der Strom an der Börse zu diesem Zeitpunkt für 0 Cent gehandelt wird, übernimmt die Gemeinschaft die Differenz.
Der entscheidende Punkt ist, dass netzdienlicher Stromverbrauch oder die Speicherung von Überschüssen keine dieser Kosten verursacht. Wenn Strom dann verbraucht wird, wenn das Netz nicht überlastet ist und ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, oder wenn der Strom in Zeiten mit Überproduktion gespeichert wird, entstehen keine zusätzlichen Belastungen für das Stromnetz. Solche Verhaltensweisen entlasten das Netz sogar und verhindern den Ausbau teurer Infrastrukturen und die Zuschaltung von teuren Backup-Kraftwerken.
Daher ist es vollkommen logisch und richtig, diesen netzdienlichen Stromverbrauch und die dazugehörigen
Technologien von den Netzentgelten und anderen Stromnebenkosten zu befreien. Es handelt sich hierbei nicht um eine Subvention, sondern um eine faire Anpassung der Kostenstruktur, da diese Aktivitäten das Stromnetz stabilisieren und sogar Kosten sparen, die sonst anfallen würden. Im Gegenteil: Durch die Befreiung von Netzentgelten wird netzdienliches Verhalten gefördert, was langfristig für alle Verbraucher Kostenvorteile bringt.

FAQ 2: Eine Reform, bei der am Ende alle weniger bezahlen, klingt doch wie ein Märchen. Wie soll so etwas möglich sein?
Es stimmt, auf den ersten Blick klingt es wie eine Geschichte aus dem Märchenland. Doch wenn man sich die Mechanismen hinter der Stromproduktion und dem Netzausbau genauer ansieht, wird klar, woher die Einsparungen für alle kommen. Der Schlüssel liegt im fortschreitenden Ausbau erneuerbarer Energien und der optimierten Nutzung der vorhandenen Netzkapazitäten. Heutzutage kostet Strom aus großen  Photovoltaikanlagen zwischen 3 und 5 Cent pro kWh. Strom aus neuen Windkraftanlagen liegt im Bereich von 4 bis 7 Cent pro kWh. Theoretisch müssten die Stromkosten also mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien sinken. Allerdings gibt es ein entscheidendes Problem: Das Angebot an Strom aus erneuerbaren Quellen schwankt stark, und ohne einen netzdienlichen Verbrauch steigt die Notwendigkeit für massiven Netzausbau und gigantische Speicher, um die Stromüberschüsse von PV-Anlagen tagsüber aufzunehmen. Diese wären notwendig, damit immer mehr Elektroautos abends nach Feierabend geladen werden können. Ohne die Investition in diese teuren Speicher würde der Strompreis tagsüber immer häufiger in den negativen Bereich fallen, weil das Angebot die Nachfrage übersteigt. Gleichzeitig würden die Preise in den Abendstunden auf bislang ungekannte Höhen steigen, da die Nachfrage das Angebot übertrifft. Dies passiert, obwohl die Stromerzeugung selbst heute so günstig ist wie nie zuvor.

Die Pauschalierung der Netzentgelte wird diese Situation grundlegend ändern. Durch die pauschale Abrechnung haben Verbraucher einen starken Anreiz, den extrem günstigen Strom tagsüber zu nutzen. iemand, der Geschäftssinn hat und über die nötige Infrastruktur (wie ein Elektroauto oder einen Stromspeicher) verfügt, würde auf diesen günstigen Strom verzichten. Dadurch gibt es plötzlich Abnehmer für den Strom, auch in Zeiten von Überangebot.

Zusätzlich wird die Doppelnutzung von Elektroautos als netzdienliche Speicher gefördert, was bedeutet, dass keine zusätzlichen Investitionen in teure Speicher notwendig sind. Elektroautos könnten tagsüber Strom zu niedrigen Preisen speichern und ihn abends ins Netz zurückspeisen, wenn die Nachfrage hoch ist. Dies würde die Verfügbarkeit von Strom in den Morgen- und Abendstunden sprunghaft erhöhen, was einen reisdämpfenden Effekt hätte. Die Einsparungen kommen daher aus der Vermeidung von teurem Netzausbau und der Vermeidung von zusätzlichen Speichern. Das Modell der pauschalen Netzentgelte reduziert die Notwendigkeit dieser kostspieligen Infrastrukturen und sorgt gleichzeitig für eine stabilere und günstigere Stromversorgung. Davon profitieren am Ende alle.

FAQ 3: Welche technischen und regulatorischen Herausforderungen müssen bei der Umsetzung dieser Reform gelöst werden?
Die Einführung einer differenzierten Pauschalierung der Netzentgelte erfordert sowohl technologische als auch regulatorische Anpassungen. Dennoch sind diese Herausforderungen lösbar und bieten langfristig erhebliche Vorteile:

Technologische Herausforderungen:
3.1 Smart Meter und intelligente Netze: Die Nutzung von Smart Metern ist eine Grundvoraussetzung für die differenzierte Pauschalierung. Diese Geräte ermöglichen es, den Stromverbrauch in Echtzeit zu überwachen und den Stromverbrauch flexibel zu steuern. Der großflächige Einsatz von Smart Metern ist jedoch zeitaufwändig – Zeit, die wir angesichts der fortschreitenden Energiewende nicht haben. Eine schnelle Lösung bietet der Einsatz von kleinen, kostengünstigen Geräten wie dem Tibber Pulse. Solche Geräte können gewöhnliche Zweirichtungszähler älterer Bauart in vollwertige Smart Meter verwandeln. Sie sind von der Stange erhältlich, kosten weniger als 100 Euro und lassen sich in wenigen Minuten kinderleicht installieren. Damit kann die notwendige Infrastruktur deutlich schneller und effizienter aufgebaut werden, ohne auf den flächendeckenden Einbau neuer Zähler warten zu müssen.

3.2 Dynamische Verbrauchssteuerung: Um den Stromverbrauch in Zeiten mit Überschüssen zu fördern und in Zeiten der Knappheit zu blockieren, sind intelligente Steuerungssysteme erforderlich. Diese Systeme müssen sicherstellen, dass Elektroautos, Wärmepumpen und Speicher nur dann Strom beziehen, wenn genügend Kapazität im Netz vorhanden ist. Die Technologie existiert bereits, muss jedoch flächendeckend implementiert werden.

3.3 Infrastruktur für bidirektionales Laden: Elektroautos müssen in der Lage sein, nicht nur Strom zu laden, sondern ihn auch zurück ins Netz zu speisen. Dies erfordert die Weiterentwicklung und den Ausbau der bidirektionalen Ladetechnologie sowie die dazugehörige Infrastruktur.

Regulatorische Herausforderungen:
3.4 Anpassung des Energiemarktes: Die Energiemarktregulierung muss flexibel genug sein, um  die neuen Marktteilnehmer (wie private Haushalte, die Strom aus Elektroautos und Speichern verkaufen) effizient zu integrieren. Dies erfordert eine klare Regelung für den Handel von Stromüberschüssen und die Teilnahme am Strommarkt durch Privatpersonen.

3.5 Datenschutz und Sicherheit: Da Smart Meter detaillierte Verbrauchsdaten sammeln, müssen strenge Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass die Systeme gegen Cyberangriffe geschützt sind, um die Sicherheit der Stromnetze und die Privatsphäre der Verbraucher zu gewährleisten.

3.6 Faire Verteilung der Vorteile: Es muss sichergestellt werden, dass die Vorteile dieser Reform gerecht verteilt werden. Insbesondere Haushalte mit geringeren finanziellen Mitteln sollten Unterstützung erhalten, um Zugang zu den notwendigen Technologien z. B. Smart Meter zu haben.

FAQ 4: Wie sollen E-Auto-Besitzer tagsüber Stromüberschüsse laden, wenn sie bei der Arbeit sind?
Es ist richtig, dass eine heimische Ladestation keine Stromüberschüsse laden kann, wenn das Elektroauto auf dem Firmenparkplatz steht. Während Rentner, Berufstätige im Homeoffice oder Personen in der Elternzeit die Möglichkeit haben, ihr Auto tagsüber zu Hause zu laden, gilt das für Millionen Berufstätige, die tagsüber bei  der Arbeit sind, nicht. Hier kommt die Politik ins Spiel: Es ist unerlässlich, dass Arbeitgeber bei der Schaffung intelligenter Ladeinfrastruktur unterstützt werden, um flächendeckend Lademöglichkeiten auf Firmenparkplätzen bereitzustellen. Diese Infrastruktur würde es ermöglichen, dass Arbeitnehmer auch während der Arbeitszeit von den Stromüberschüssen profitieren, die tagsüber an windigen oder sonnigen Tagen entstehen. Für Arbeitgeber ist dies nicht nur eine Maßnahme zur Förderung der Energiewende, sondern ein klarer wirtschaftlicher Vorteil. Durch den Einsatz dieser Ladeinfrastruktur tragen sie dazu bei, die Stromnebenkosten zu senken und die Börsenstrompreise insgesamt zu dämpfen. Dies hat einen positiven Effekt auf die Energiekosten der Unternehmen selbst. Mit der richtigen Unterstützung durch politische Programme und Anreize können so intelligente Lösungen geschaffen werden, von denen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren.

FAQ 5: Um welche Energiemenge geht es hier eigentlich, die netzdienlich gespeichert bzw.  freigegeben werden könnte?
In Deutschland sind derzeit etwa 40 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Davon sind mittlerweile (Stand Juni 2024) etwa 1,5 Millionen elektrisch unterwegs. Wenn man davon ausgeht, dass diese Elektroautos im urchschnitt eine Batteriegröße von 50 kWh haben, ergibt das eine Gesamtkapazität von etwa 75 GWh (Gigawattstunden) bei allen E-Autos zusammen. Zum Vergleich: Die Gesamtkapazität aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke beträgt etwa 40 GWh. Dieser Vergleich zeigt sofort das enorme Potenzial, das die E-Autoflotte bereits heute bietet. Selbst wenn nur gut die Hälfte dieser E-Auto-Kapazität zu netzdienlichen Zwecken eingesetzt würde, wäre die Bedeutung der E-Autos in der gleichen Liga wie alle Pumpspeicherkraftwerke zusammen. Da sich der Bestand an E-Autos in den kommenden Jahren vervielfachen wird, ist es leicht, sich vorzustellen, welches unglaubliche Potenzial diese Fahrzeuge für die Netzstabilität und das Energiemanagement haben könnten. Wenn die Weichen für die netzdienliche Nutzung der E-Autos heute gestellt werden, wird die deutsche E-Autoflotte in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Speicherung und Stabilisierung des Stromnetzes spielen.

FAQ 6: Hilft diese Reform nicht doch wieder nur den eh schon Privilegierten?
Das ist tatsächlich überhaupt nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Diese Reform bietet Vorteile für viele Bevölkerungsgruppen und wirkt sich insgesamt positiv auf alle Stromverbraucher aus – auch auf diejenigen, die kein eigenes E-Auto, keine Wärmepumpe oder keine PV-Anlage besitzen. Nehmen wir das Beispiel eines Mieters, der in einem Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage oder Carport wohnt. Kein Vermieter kann dem Mieter den Einbau einer Ladestation verwehren, und wer sich dafür eine bidirektionale Ladestation anschafft, kann besonders günstig Strom tanken. Das Auto wird dann mit Wind- oder Sonnenstrom geladen, wenn der Strompreis niedrig ist. Wenn der Mieter diesen gespeicherten Strom später zu Spitzenstrompreiszeiten nutzt, profitiert er doppelt: Er bekommt 100% Ökostrom, während sein Nachbar, der zwar Ökostrom gebucht hat, zu diesen Spitzenzeiten oft keinen oder nur anteiligen Ökostrom bekommt, da dann häufig fossile Kraftwerke zugeschaltet werden müssen. Darüber hinaus hat die Reform weitreichende positive Effekte: Die höhere Integration von regenerativem Strom sorgt insgesamt für sinkende Strompreise und geringere Stromnebenkosten, da weniger Backup-Kraftwerke gebaut und betrieben werden müssen. Dies reduziert die allgemeinen Energiekosten für alle – auch für diejenigen ohne eigenes E-Auto, Wärmepumpe oder PV-Anlage mit Speicher. Der Effekt ist also flächendeckend, und jeder kann davon profitieren.

FAQ 7: Wie können Firmen von der Reform profitieren?
Firmen stehen heute in einer doppelten Klemme: Einerseits müssen viele Prozesse, die bisher mit fossilen Energien betrieben werden, im Zuge der Transformation elektrifiziert werden. Das führt zu einem signifikant steigenden Strombedarf. Andererseits sind die Energiepreise durch hohe Stromkosten zu Spitzenlastzeiten und hohe Stromnebenkosten enorm belastend. Genau hier bietet die Reform der differenzierten Pauschalierung enorme Vorteile. Für Firmen gilt das Gleiche wie für Privathaushalte: Bei netzdienlichem Verhalten können Unternehmen ihren zusätzlichen Strombedarf für die Elektrifizierung ohne zusätzliche Stromnebenkosten decken. Das bedeutet, dass sie nicht nur günstigeren Strom beziehen, sondern gleichzeitig ihre CO₂-Bilanz erheblich verbessern.
Nehmen wir das Beispiel von Unternehmen, die Wasserstoff einsetzen, um fossile Prozesse zu ersetzen. Der benötigte Wasserstoff kann zu Zeiten erzeugt werden, in denen Strom im Überschuss vorhanden ist und deshalb kostenlos oder nahezu kostenlos ist. Durch die richtige Dimensionierung der Elektrolyseure können Firmen den Wasserstoff unabhängig vom aktuellen Bedarf extrem günstig vor Ort produzieren – ohne auf den Ausbau von Wasserstoffleitungen warten zu müssen. Firmen, die die Pauschalierung nutzen, um auf elektrische Geschäftswagen umzusteigen oder zur Beheizung ihrer Gebäude Wärmepumpen einsetzen, profitieren in gleicher Weise wie private Haushalte von den günstigen Heiz und Betriebskosten. Auch hier gilt: Die Reform kommt allen zugute, aber gerade Firmen und Industriebetriebe mit hohem Strombedarf werden besonders profitieren. Durch den vermehrten Einsatz von netzdienlichen Technologien und die Elektrifizierung ihrer Prozesse können sie die Energiewende nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch vorantreiben.


Zusammengefasst: Diese Herausforderungen sind lösbar und stellen keine unüberwindbaren Hindernisse dar. Die notwendige Technologie ist bereits verfügbar und wird stetig weiterentwickelt. Mit einer entsprechenden
regulatorischen Anpassung und der schrittweisen Einführung von Smart Metern und intelligenten Netzen kann das Modell der pauschalen Netzentgelte erfolgreich umgesetzt werden. Die langfristigen Vorteile – niedrigere Kosten, höhere Netzstabilität und ein beschleunigter Übergang zu erneuerbaren Energien – überwiegen die anfänglichen Herausforderungen bei Weitem.

Stiefenhofen, der 24.09.2024, Dr. Titus J. Rinke

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